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Besuch Erinnerungsort "Weingut II"

Weingut II Berührungspunkte_von_Esther_Glück
Weingut II Gruppenbild
Weingut II hist. Luftaufnahme

Besuch des Erinnerungsortes „Weingut II“

 

„Vernichtung durch Arbeit“ – mit diesem Prinzip versuchten die nationalsozialistischen Machthaber während des Zweiten Weltkrieges ihre militärischen, wirtschaftlichen und rassistisch-ideologischen Zielsetzungen zu verknüpfen, indem arbeitsfähige Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge bis hin zum Hunger- oder Erschöpfungstod als Arbeitskräfte in der NS-Kriegswirtschaft Verwendung fanden. Neben den zur unmittelbaren Vernichtung konzipierten Vernichtungslager sollte auch dieser Beitrag an der „Endlösung der Judenfrage“, also der Shoah, durch das ganz Europa umfassende Geflecht an Konzentrations- und Außenlagern geleistet werden.

 

Anschaulich erlebbar wird dies vor unserer Haustür am Erinnerungsort „Weingut II“. Hinter dem wohlklingenden Tarnnamen versteckt sich ein 1944 begonnenes und bis Kriegsende nicht fertiggestelltes gigantisches Bauprojekt, das die Produktion modernster Düsenjäger in einen riesigen Bunker verlagern sollte, um sie so vor den Bombern der Alliierten zu schützen.

 

Eine dieser Produktionsanlagen mit dem Tarnnamen „Weingut II“ sollte nördlich von Landsberg errichtet werden. Die von der „Organisation Todt“ koordinierte Bauleistung sollten rund 23.000 in umliegenden Außenlagern untergebrachte Häftlinge des KZ-Dachau erbringen. Was „Vernichtung durch Arbeit“ bedeutet, wird zum einen durch die fertiggestellte meterdicken und heute noch in die Welfenkaserne der Luftwaffe integrierten Bunkerabschnitte verdeutlicht, zum anderen durch nackte Zahlen: In nur 11 Monaten des Baus sind über 6000 Todesfälle unter den Zwangsarbeitern dokumentiert, rund 2700 als nicht mehr arbeitsfähig Eingestufte wurde zudem zur Tötung in die Lager Bergen-Belsen und Auschwitz deportiert. Abba Naor, der selbst als Gefangener auf der Baustelle tätig war, bezeichnet noch heute den gigantischen Bunkerbau als „das Monster“.

 

Am 25. März hatte nun das P-Seminar Israel gemeinsam mit zwei Schülergruppen aus unseren Schwesterschulen in Planegg und Gräfelfing und mit großzügiger finanzieller Unterstützung des Vereins „Gedenken im Würmtal“ die Möglichkeit zur Besichtigung der heute noch von der Luftwaffe genutzten Bunkeranlage – in der Zeit des Kalten Krieges wurde unter den Bautorso der NS-Zeit ein weiterer, nun atomsicherer Bunker gesetzt, um amerikanische atomare Marschflugkörper dort für den Verteidigungsfall zu lagern. Allein die Einführung einer moderneren Mittelstreckenrakete, der Pershing 1, machte nach Fertigstellung die Stationierung und atomare Nutzung des ‚Bunkers im Bunker‘ überflüssig.

 

Die Bundeswehr ist sich der besonderen Bedeutung des Bunkers bewusst und eröffnete schon vor Jahren den „Erinnerungsort Weingut II“ als Teil der Militärgeschichtlichen Sammlung im Instandsetzungszentrum 13 der Luftwaffe in der Welfenkaserne. Hauptmann Bechtold, der Leiter dieser Sammlung, führte dabei die Schülerinnen und Schüler nicht nur in die historische Dimension und komplexe Baugeschichte der Anlage ein, er rückte vielmehr die Individuen, die hier lebte, litten oder gar starben, ins Zentrum. Nach einem informativen Vortrag hatten die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit die interessante und vielfältige Ausstellung im Gedenkort tief im Innern des Bunkers zu erkunden. Künstlerische Objekte, etwa die ‚Berührungspunkte‘ der Dachauer Künstlerin Esther Glück, versuchen zudem den Besuchern eine emotionale Verbindung mit den hier Getöteten zu ermöglichen. – Ein Erinnerungsort, der auch 80 Jahre nach Kriegsende alle Besucher auf mehreren Ebene nachdenklich werden lässt.

 

Markus Greif, StD