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Vortrag "Euthanasie im Landkreis Starnberg"

Euthanasie_Hellerer
Euthanasie_Plenum

Vortrag „Euthanasie im Landkreis Starnberg“

 

„Lebensunwertes Leben“ – diesem Unwort näherte sich Dr. Friederike Hellerer, Archivarin der Gemeinde Herrsching, am 1. April 2025 in ihrem eindrucksvollen Vortrag „Euthanasie im Landkreis Starnberg“ vor der gesamten 9. Jahrgangsstufe. Die Schülerinnen und Schüler hatten zudem die Möglichkeit, die gleichnamige und von Frau Dr. Hellerer konzipierte Ausstellung, die für zwei Wochen am OvTG zu sehen war, zu besuchen und ihre Eindrücke in die komplexe Thematik zu vertiefen.

 

Der Begriff des „lebensunwerten Lebens“, der schon von den Eugenikern ab der Wende zum 20. Jahrhundert geprägt wurde und eine erbbiologische Optimierung ganzer Völker zum Ziel hatte, wirft grundlegende ethische Fragen auf: Was ist „lebensunwertes Leben“ und wer definiert dies verbindlich und valide? Wer soll zudem entscheiden, was „lebensunwertes Leben“ ist und die Verantwortung dafür übernehmen? Was geschieht zudem mit „lebensunwertem Leben“? Bemerkenswert ist, dass die Eugeniker die Frage, ob nicht alles Leben lebenswert sein, schon früh verneinend beantwortet hatten.

 

Der totalitäre Staat des Nationalsozialismus erlaubte nun den Eugenikern ihre Vorstellung der erbbiologischen Optimierung der ‚Volksgemeinschaft‘ in die Tat umzusetzen: Gesetzlich legitimierte Zwangssterilisationen sollten - ohne valide medizinische Basis - vermeintliche ‚Erbkrankheiten‘ ausmerzen. Rund 400.000 Männer und Frauen wurden zwangssterilisiert, zahlreiche Frauen starben bei diesen Eingriffen. In mehreren Stufen der daran anschließenden Euthanasie, also der planmäßigen Ermordung von Patienten der psychiatrischen Heil- und Pflegeanstalten im Reich und in den besetzten Gebieten, wurden entweder in den psychiatrischen Krankenhäusern selbst oder in zentralen Tötungsanstalten bis 1945 rund 300.000 Menschen getötet.

 

Eindrucksvoll erläuterte Frau Dr. Hellerer den Schülern und Schülerinnen, dass aber in der Regel nicht medizinische Indikatoren oder gar valide psychiatrische Gutachten Grundlage für eine Entscheidung über Leben und Tod waren, sondern die Höhe der ggf. vom Staat zu tragenden Unterbringungskosten, die Arbeitsfähigkeit oder schlicht die Tatsache, ob der bzw. die Patientin noch Angehörige, die unangenehme Fragen stellen könnten, hat, waren für die bestellten ‚Gutachter‘ die entscheidenden Faktoren waren, wer zu töten sei. Ebenso eindrucksvoll stellte sie dar, wie die Erfahrungen in der massenhaften Tötung, etwa in Schloss Hartheim bei Linz, zur Matrix für den Genozid an den europäischen Juden wurde. 

 

Die begleitende Ausstellung, die auch in den Fachunterricht einiger Klassen der Jahrgangsstufe 9 eingebunden wurde, fasst gut verständlich in vier Tafeln Hintergrund und Verlauf der Euthanasie dar und stellt auf drei Tafeln einige der aus dem Landkreis Starnberg stammenden Euthanasieopfer vor.

 

Markus Greif, StD