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Philosophie - eine alte Stadt

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Philosophie - eine alte Stadt 

 

Die Schülerin Johanna Kokot besuchte in den Jahrgangsstufen 9 und 10 am OvTG die Kurse der ‚Individuelle Lernzeitverkürzung‘, um ganz gezielt in der 11. Jahrgangsstufe im Rahmen des Kooperationsvertrags des OvTG mit der Hochschule für Philosophie (HFPH) in München deren besonders Angebot, das ‚Philosophische Orientierungsjahr‘, als Frühstudentin wahrnehmen zu können: Über zwei Semester war Johanna so in weiten Teilen vom schulischen Unterricht freigestellt und konnte so ins Studium der Philosophie mit dem Besuch von Vorlesungen, Proseminaren und Übungen eintauchen. Hier ihr detaillierter Erfahrungsbericht.

 

„Philosophie [ist wie] eine alte Stadt“, so begann meine erste Vorlesung an der Hochschule für Philosophie in München. In seiner Philosophie der Antike Vorlesung verglich Professor Schröer die Disziplin der Philosophie mit der Konstruktion einer alten Stadt. Das Herz der Stadt sind dabei die antiken Bauten, symbolisch für die alten und sehr verwinkelten Alltagsauffassungen der Griechen. Darum herum entstanden über die Jahrhunderte weitere Gebäude, manche als Weiterentwicklung der antiken Künste, andere in deutlichem Kontrast zu diesen. Während meines Philosophischen Orientierungsjahrs an der HFPH durfte ich noch verschiedene Winkel dieser Stadt kennenlernen.

 

Aber ich war bereits vor dieser ersten Vorlesung mit der HFPH in Kontakt gekommen. Auf die Idee, dieses Frühstudium zu absolvieren, brachte mich ein Hinweis darauf in einer Informationsveranstaltung zur ILV. Daraufhin belegte ich zunächst nur einmal die Woche einzelne Proseminare an der HFPH, um herauszufinden, ob mir das Studium gefällt. 

 

Bereits das erste Seminar bestätigte meine Erwartungen. Philosophie war etwas, mit dem ich mich in den kommenden Jahren definitiv intensiver auseinandersetzen wollte. In den folgenden zwei Jahren belegte ich weitere Proseminare und begann parallel dazu die ILV, die Voraussetzung für das Frühstudium war. Damit konnte ich schließlich im Wintersemester 2024/25 an der Hochschule für Philosophie starten.

 

Und so konnte ich Mitte Oktober schließlich die Einführungsveranstaltung für alle diesjährigen Erstis besuchen. Es gab die wichtigsten Infos, Kennenlernspiele, eine Führung durchs Gebäude und abends noch ein Treffen in der "Analogie", der studentischen Bar der Hochschule.

 

Bereits hier wurde meine Befürchtung widerlegt, ich könnte Probleme haben, Kontakte zu knüpfen, aufgrund meines Alters oder der Tatsache, dass ich noch zur Schule ging. Von Anfang an wurde ich wie jeder andere Studierende behandelt, und sehr freundlich aufgenommen. So konnte ich bereits am ersten Tag einige neue Bekanntschaften machen, aus denen sich in den kommenden Monaten nicht nur hilfreiche Lerngruppen, sondern auch tolle Freundschaften entwickelten. Am folgenden Dienstag startete das Semester dann richtig, und zwar im Grunde genommen mit dem Anfang der abendländischen Philosophie überhaupt. 

 

Nach den einleitenden Worten über sein Philosophieverständnis und dem Vergleich mit der alten Stadt, stellte Professor Schröer nämlich Thales von Milet vor, und warum bis heute die Debatte geführt wird, ob dieser der erste Philosoph war.

 

Vor der Zwischenpause erwartete uns dann noch eine positive Überraschung, als sich die Kaffeeinitiative vorstellte. Diese versorgte alle Studierenden, vor und während der Vorlesungen mit frischen Heißgetränken und wenn man Glück hatte auch Keksen. Mit dieser Versorgung an frischem Tee und Kaffee wurde der Raum vor der Aula und an warmen Tagen auch der Innenhof zum inoffiziellen Treffpunkt der Studierenden. Hier traf man sich vor den Vorlesungen und in den Pausen und hier lernte ich auch schnell weitere Studierende aus verschiedenen Semestern kennen. 

 

Die ersten Wochen waren trotz guter Vernetzung und viel Unterstützung durchaus eine Herausforderung. Im Vergleich zum Schulalltag war das Studium zunächst eine komplette Umstellung. Statt einem festen Stundenplan, gab es nur grobe Vorgaben, welche Veranstaltungen wir besuchen sollten. Ich konnte zwischen verschiedenen Proseminaren wählen (es klangen zu viele interessant), organisierte eine Lektüregruppe (sich zwischen Kant oder Hume zu entscheiden war gar nicht so leicht) und entschied, wann und welche Wissenschafts- und Rhetorik Kurse ich besuchen wollte. Dazu kamen noch zwei Vorlesungen und ein Repertorium nur für die Leute des Orientierungsjahrs. Zum Glück war ich nicht alleine in diesem anfänglichen Chaos und mit Unterstützung gelang es dann doch ganz gut, sich einen Überblick zu verschaffen. Zusätzlich lernte ich sehr schnell die Möglichkeit zu schätzen, mir die Veranstaltungen herauszusuchen, die mich tatsächlich interessierten.

 

So beschäftigte ich mich in einem Seminar beispielsweise das erste Mal genauer mit dem Werk einer weiblichen Philosophin, Elizabeth Ansombes „Absicht“. Hier lernte ich die Grundlagen der Handlungstheorie, die mich von Anfang an begeisterte. Auch die Diskussion im Seminar über die politische Philosophie Rousseaus sind mir (auf jeden Fall positiv) in Erinnerung geblieben, hauptsächlich durch ihren Bezug auch noch zur aktuellen Politik.

 

Bei den Vorlesungen begeisterte mich neben Antike, vor allem die Gotteslehre und die systematische Herangehensweise in der Frage nach Gott. Anhand mehrerer Leitfragen wurden hier verschiedene Denkweisen Gottes, sowie Versuche die Existenz von diesem zu beweisen auf sehr mitreißende Art vorgestellt.

 

So vergingen zwischen Hochschulalltag, Herbsttagen im englischen Garten und einem Karaoke Abend die ersten Monate ziemlich schnell und ehe ich es mich versehen hatte, war auch schon Weihnachten. Über die Feiertage, bis heilig drei König, hatte auch der Hochschulbetrieb Ferien, bevor Anfang Januar die Prüfungsvorbereitungen begonnen.

 

In der bisher stressigsten Zeit meines Studiums, half mir vor allem das Lernen in Gruppen. In Tutorien unterstützten uns Studenten aus höheren Semestern bei der Prüfungsvorbereitung und erklärten uns auch, wie so eine Prüfung überhaupt ablaufen würde. Zusätzlich entdeckte ich, dass mir das gemeinsame Lernen in Lerngruppen wirklich half, da ich hier noch einmal über die Themen diskutieren und somit ein neues Verständnis für sie entwickeln konnte. 

 

Es standen drei Prüfungen für mich auf dem Plan, zwei schriftliche und eine mündliche. 

Die schriftlichen Prüfungen bestanden aus Essays über einen Teilbereich des Themas, die mündliche Prüfung war ein 15-minütiger Dialog mit dem zuständigen Professor über eine der vorher festgelegten Prüfungsfragen. Nicht zuletzt durch die viele Unterstützung der anderen Studierenden ließen sich die Prüfungen gut meistern.

 

In den Semesterferien schrieb ich meine Proseminararbeit, holte Unterrichtsstoff nach und besuchte wieder drei Mal wöchentlich die Schule.

 

Das neue Semester begann Mitte April, eine Woche nach Ostern. Nachdem ich inzwischen mit den Abläufen deutlich vertrauter war, viel diesmal die Auswahl der Veranstaltungen nicht mehr so schwer. Ich besuchte eine Vorlesung mehr, hatte dieses Semester also drei Vorlesungen über die Philosophie des Mittelalters, Metaphysik und Ästhetik und zusätzlich das Erkenntnistheorie Repetitorium. Dafür besuchte ich allerdings nur noch ein Proseminar, womit ich immer noch genug Zeit hatte, mich auf alle Fächer entsprechend vorzubereiten.

 

Der Start ins Sommersemester wurde mir vor allem durch das gute Wetter versüßt. Mit dem Englischen Garten direkt nebenan und dem eigenen kleinen Garten der Hochschule wurden die Lerneinheiten nun nach draußen verlagert. Vor allem über Ästhetik wurde viel diskutiert, da ich mit einigen anderen zusätzlich zur Vorlesung noch ein Proseminar zu diesem Thema besuchte. Daneben begeisterte ich mich vor allem für die Erkenntnistheorie, in der wir uns genauer mit der Frage beschäftigten, was überhaupt Objektivität bedeutete.

 

So verging die Zeit wieder schneller, als mir lieb war. Anfang Juni schließlich fand eines der Highlights des Sommersemesters statt. Zum 100-jährigen Jubiläum der Hochschule wurde die Philosophische Sommernacht organisiert. Diese war hauptsächlich an jungen Menschen gerichtet, um diesen Einblicke in die Philosophie zu ermöglichen. Es gab eine Podiumsdiskussion, verschiedene Workshops, bei denen man selbst aktiv werden konnte, und einen PoetrySlam-Wettbewerb. Nebenbei wurden alle mit kostenloser Pizza, und Getränken versorgt. Zum Abschluss des Abends gab es noch eine Nachtvorlesung und es wurde mit Liveband in der Aula gefeiert.

 

Die Woche danach genossen wir viel die Sonne und den Vorteil im englischen Garten schwimmen zu gehen, bis schließlich Ende Juni die Prüfungsvorbereitungen begannen. Obwohl ich diesmal schon etwas routinierter war, war ich dankbar für die angebotenen Tutorien und selbstorganisierten Lerngruppen. Zu meiner Überraschung war der Lernaufwand trotz einer weiteren Vorlesung nicht deutlich höher und ließ sich auch dieses Mal wieder sehr gut meistern.

 

So saß ich schließlich am 22. Juni in meiner letzten Prüfung über Metaphysik. Als ich schließlich die Aula verließ, realisierte ich erst so richtig, dass ich nun mein Studium abgeschlossen und hoffentlich bestanden hatte. Am Ende waren die zwei Semester doch viel zu schnell vergangen.

 

Rückblickend war dieses Jahr eine unglaublich bereichernde Erfahrung. Die Philosophie hat mir in dieser Zeit zahlreiche neue Perspektiven eröffnet und mein Denken nachhaltig verändert. An der HFPH wurde man dazu motiviert, Standpunkte zu hinterfragen, selbstständig zu reflektieren und einen eigenen Standpunkt zu finden. Darüber hinaus habe ich viele praktische Fähigkeiten erlernt, wie analytisches Lesen komplexer Texte, gutes Argumentieren für die eigenen Position wie auch für andere Sichtweisen, und selbstsicheres Auftreten bei Vorträgen. Nicht zuletzt habe ich dort viele sehr nette und inspirierende Menschen kennengelernt.

 

Nach all diesen Erfahrung kann ich sagen, dass sich das Philosophische Orientierungsjahr an der Hochschule für Philosophie definitiv gelohnt hat und ich auf jeden Fall darüber nachdenke, nach meinem Abitur dort weiter zu studieren.

 

Johanna Kokot (TUMKolleg 12)

 

 

NB: Wie alle Schülerinnen und Schüler, die nach erfolgreichem Besuch der ILV die 11. Jahrgangsstufe überspringen oder ein ganzes Auslandsjahr verbringen, rückt auch Johanna nun auf Probe in die Jahrgangsstufe 12 vor. Hier besucht sie das TUMKolleg – ein Beweis dafür, das geisteswissenschaftliche wie naturwissenschaftliche Interessen keinen Widerspruch darstellen, sondern sich in einem ganzheitlichen Bildungsansatz geradezu ergänzen.