Zeitzeugengespräch mit Abba-Naor
Gedenken an den 7. Oktober und Zeitzeugengespräch mit Abba Naor
Am 7. Oktober, dem zweiten Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel, besuchte Abba Naor unsere Schule und sprach in ‚seiner‘ Aula vor den Schülerinnen und Schülern der 9. und 12. Jahrgangsstufe von seinem Weg durch das NS-Lagersystem, aus dem er erst auf dem Dachauer Todesmarsch im April 1945, der ihn auch durch Gauting führte, befreit worden war. Abbas Gespräch vorausgegangen war ein Gedenken die Opfer des Hamas-Überfalls, bei dem auch 10 Ehemalige unserer Partnerschule in Israel ermordet worden waren.
Ganz bewusst hatten wir Abba an diesem Jahrestag eingeladen, um in dem Gedenken an die Toten aus Givat Brenner nicht nur unser Mitgefühl mit den Angehörigen und mit der Partnerschule zu bezeugen, vielmehr ging es darum aufzuzeigen, dass der Mechanismus der Dehumanisierung, der den Genozid an den europäischen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus erst ermöglichte, auch Grundlage der unvorstellbaren Gewalt war, mit der die Hamas insbesondere gegen israelische Zivilisten in den beiden Tagen des Terrors vor zwei Jahren vorging: Den ‚Anderen‘ nicht mehr als Individuum und als Menschen zu sehen, sondern vielmehr als zu vernichtenden Gegner zu ‚dehumanisieren‘, ihn zu entmenschlichen, ist - bei aller Singularität der Shoah - das verbindende Element, das die Ereignisse über die Jahrzehnte hinweg verbindet.
Um diesem Prinzip der Entmenschlichung im Moment des Gedenkens etwas entgegenzustellen, entschieden wir uns, die Jüngste unter den ermordeten Alumni ins Zentrum zu stellen: Noam Avramovich, die mit 19 Jahren als junge Wehrdienstleistende einer unbewaffneten Einheit in Nahal Oz, nur 900 Meter von der Grenze zum Gazastreifen entfernt, schon in den Morgenstunden des 7. Oktobers zu den ersten Opfern des Hamas-Überfalls zählte. Ein von Noams Mutter uns übermittelter Text, der ihre Tochter als aufgeweckte, lebendige und politisch interessierte junge Frau beschrieb, wurde durch ein vom israelischen Liedermacher Yonatan Ben Artsty für Noam komponierte Lied unterstrichen, in dessen Text Noams Mutter eine letzte Unterhaltung mit ihrer Tochter führt. Das bewegende Musikvideo ist aus privaten Filmaufnahmen der Familie Avramovich zusammengestellt – so konnten wir Noams Weg von der Geburt, über Familienfeiern, die Schule bis hin zu ihrem Militärdienst, den sie erst 9 Wochen vor ihrem Tode angetreten hatte, verfolgen und sie als bemerkenswerte, lebenslustige junge Frau, die jeder gerne in seiner Abschlussklasse als Mitschülerin gehabt hätte, kennenlernen – als wertvolles Individuum und Mensch, der nicht allein in einer Statistik über die Opfer des Hamas-Überfalls aufgehen darf.
Der Gedenkakt erzeugte Betroffenheit nicht nur bei den teilnehmenden Schülerinnen und Schülern, sondern auch bei Abba Naor, der nicht einfach zu seinem Zeitzeugengespräch übergehen konnte, sondern vielmehr seinen eigenen, ganz persönlichen Rückblick auf den Hamas-Überfall, den Gaza-Krieg und die von Zukunftsängsten geprägte prekäre Situation, in der sich die israelische Gesellschaft befindet, anschaulich am Beispiel seiner Familie beschreibt. Statt eines Zeitzeugengesprächs, das die Stationen der Verfolgung durch die nationalsozialistische Vernichtungspolitik chronologisch nachzeichnet, stellte sich Abba diesmal ausführlich allen Fragen aus dem Auditorium, ging auf diese ein und griff so auch die Momente in seinen Erlebnissen zwischen 1941 und 1945 auf, die die jungen Zuhörerinnen und Zuhörer besonders interessierten. Die zentrale Botschaft des 97-jährigen Zeitzeugen an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung ist klar und prägnant formuliert: „Das Leben ist eine feine Sache - macht etwas daraus! - Eine denkwürdige Begegnung an einem besonderen Tag.
Markus Greif, StD













