Druckansicht öffnen
 

In der Schule 2016

in der Schule 2016
in der Schule 2016 2

Der 17. und 18. November waren zwei Tage, auf die sich ein Teil der Q12 und die 10b gefreut haben: an diesen zwei Tagen würde eine Politiksimulation zum EU-Parlament und Ministerrat der EU stattfinden.

 

Simulationen sind vergleichbar mit einem Planspiel: Es sind eine bestimmte Situation (in unserem Fall eine Tagung der zwei Gremien bezüglich neuer Richtlinien zur Asylpolitik) und bestimmte Rollen gegeben, in die die Teilnehmer schlüpfen werden. Beim Parlament waren diese Vertreter bestimmter Parteien und Länder, beim Ministerrat die Innenminister der Mitgliedsstaaten. Dabei entspricht die politische Auffassung der Rolle nicht zwingend der eigenen Meinung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was dazu führen kann, dass man für eine strengere Flüchtlingspolitik stimmen muss, während man eigentlich eine entgegengesetzte Meinung hat. Letztendlich führt dies aber auch dazu, dass man sich mit den Argumenten der gegenüberliegenden Meinung näher befasst und sie eventuell auch versteht.

 

 

Bevor wir in die Diskussionen einstiegen, hatten wir am ersten Tag erst einmal Besuch von der EU-Parlamentarierin Maria Noichl, die dort in den Ausschüssen für Landwirtschaft, Agrarpolitik und Gleichstellung der Geschlechter arbeitet. Frau Noichl, die Mitglied der SPD ist (im Parlament entspricht dies der S&D), erzählte uns aus ihrem alltäglichen Leben, wobei sie immer wieder betonte, dass sie trotz ihres Berufes immer noch eine ganz normale Bürgerin sei – viele Leute scheinen zu denken, dass Abgeordnete wenig über das tatsächliche Bürgerleben wissen und somit kaum berechtigt sind, die Interessen des Volkes zu vertreten. Unter anderem habe sie längere Zeit als Lehrerin gearbeitet und komme aus einer Bauernfamilie im Chiemgau, weshalb sie ihr ganzes Leben lang ziemlich gut geerdet gewesen sei.

 

Um uns zu verdeutlichen, woran sie gerade arbeitet, gab sie uns mehrere Beispiele: Der Ausschuss für Landwirtschaft und Agrarpolitik diskutiert gerade unter anderem über die Bezeichnung „Bio“, hauptsächlich, welche Produkte sich denn rechtlich als „biologisch“ ausweisen dürfen. Im Moment ist es nämlich für medizinische Apothekenprodukte unmöglich, ein Bio-Siegel zu haben. Bei rein synthetischen Mitteln sei dies zwar verständlich, allerdings kritisiert Frau Noichl, dass beispielsweise Ringelblumensalbe, die ja auf pflanzlicher Basis hergestellt wird, kein Bio-Siegel tragen kann, obwohl die benötigten Ringelblumen nach biologischen Richtlinien angebaut werden. Die Ermöglichung eines solchen Bio-Siegels würde auch Kunden bei der Kaufentscheidung mehr Klarheit schaffen, wird jedoch von großen Pharma-Firmen wie beispielsweise Bayer nicht unterstützt.

 

Aus dem Bereich der Gleichstellung für Geschlechter nannte Frau Noichl uns zwei Beispiele:

Das erste Beispiel betraf Ehepaare nach der Scheidung, genauer gesagt die Unterhaltszahlungen und das Besuchsrecht; in ungefähr 80% der Fälle müsste nämlich die Mutter für das Kind sorgen, was auch wegen der Gehälterunterschiede ein Problem sei. Dem Vater dagegen wäre es lediglich erlaubt, das Kind zu besuchen und Geld an die Mutter zu zahlen. Dies ist ein Punkt, der geändert werden müsse, meint Frau Noichl: Es müsse doch möglich sein, dass der Vater das Kind aufzieht.

 

Das zweite Beispiel handelte von einem in Deutschland und vielen weiteren europäischen Ländern sehr ernsten Thema: der Prostitution. Viele Prostituierte in Deutschland sind nämlich weder freiwillig hier noch bieten sie sich freiwillig an. Häufig ist es sogar so, dass ihnen von den Zuhältern die Papiere abgenommen werden. Um solche Missstände zu vermindern, wird im EU-Parlament gerade über ein Prostitutionsverbot diskutiert. Dies ist jedoch komplizierter als man glaubt, da die Nachfrage weiterhin bestehen bleiben und sich somit alles auf den Schwarzmarkt verschieben wird. Um stattdessen die Nachfrage zu verringern, soll das Freien verboten werden, wie es in Frankreich bereits der Fall ist.

 

Des Weiteren ist Frau Noichl in der Fraktion für Beziehungen mit Afrika, Karibik und Pazifik, kurz AKP, betraut. Ihre Aufgabe bestehe hauptsächlich darin, sich immer wieder mit diesen Ländern auszutauschen, demokratische Grundsätze zu vermitteln und dabei eine freundschaftliche Beziehung zu pflegen. Ihre Arbeit macht Frau Noichl großen Spaß, wie sie uns mit einem abschließenden Lächeln sagt. Aber man müsse sich auf einen vollgepackten Terminkalender einstellen. Ein umso größerer Dank für den Besuch und die Einblicke!

 

 

Daraufhin begann die Politiksimulation. Unsere Rollenprofile waren uns vorab bereits gegeben worden, nun teilten wir uns gleich auf, in den Ministerrat und das EU-Parlament. In verschiedenen Räumen gab es zunächst Vorstellungsrunden, anschließend wurde zur Tagesordnung übergegangen. Dabei gab es vier verschiedene Entscheidungsfragen: 1. der Ort der Ausbildung Minderjähriger, 2. nach welcher Frist die Flüchtlinge Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen können, 3. ob bei Minderjährigen ohne Straftatbestand eine Haft erlaubt sein soll und 4. wo Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Darüber warteten nun zwei Lesungen auf uns, mit Zwischengesprächen, Pressekonferenz und Kontroversen, die uns am Ende auch den Vermittlungsausschuss nicht ersparten.

 

Als Erstes hatte das Parlament pro Streitpunkt 15 Minuten Debatte, nach welchen sich Abgeordnete zusammenschließen konnten, um sich auf eine Formulierung zu einigen. Anschließend wurden die Positionen dem Ministerrat vorgestellt, der sich parallel bereits eingearbeitet hatte. Hier war es dann leider 13:00 Uhr.

 

Am Dienstag wurden die Debatten gleich um 8.00 Uhr fortgesetzt. Schnell wurden dabei im Ministerrat Diskrepanzen zwischen eher südlich gelegenen, oft auch weniger starken Ländern und meist nördlichen, reicheren Ländern klar. Das führte zu längeren Auseinandersetzungen und wurde auch hinsichtlich der Zeit problematisch – insgesamt hatten wir knapp eineinhalb Stunden für alle Punkte und hatten über den ersten, den Ort der Bildung Minderjähriger, bereits knapp eine Stunde erfolglos diskutiert. Letztendlich führte dann das Argument zu einer schnelleren Einigung, dass dies sowieso lediglich Mindestrichtlinien wären und dass somit jeder Staat gerne auch mehr tun dürfe, sofern dies die finanzielle oder die geopolitische Lage erlaube.

 

Währenddessen fand im Parlament eine Pressekonferenz statt, bei der jeder Fraktionssprecher ein Statement vorbereiten und vorlesen durfte, wozu dann von Journalisten (hier den Lehrern und den Moderatorinnen) kritische Fragen gestellt wurden. Anschließend kamen die Vorschläge aus dem Ministerrat zurück. Da diese jedoch deutlich mehr Spielraum zuließen als der Erstvorschlag aus dem Parlament, wurde keiner von ihnen angenommen. Folglich wurden diese neu formuliert und das Parlament bereitete sich bereits auf einen Vermittlungsausschuss vor. Sollte nämlich auch die nächste Antwort aus dem Ministerrat nicht annehmbar sein, würde es zu einem Vermittlungsausschuss kommen, wo sich Vertreter des Rates und des Parlaments direkt beraten würden.

 

So kam es dann auch tatsächlich – der letzte Vorschlag des Ministerrates unterschied sich nur geringfügig vom ersten und der Rat und das Parlament begannen mit der Auswahl der Minister bzw. der Abgeordneten für den Ausschuss. Während beim Parlament aus jeder Fraktion nur ein Abgeordneter ausgewählt werden konnte, gab es beim Ministerrat keine Vorgaben diesbezüglich. Sollte es zu keiner Einigung kommen, würde das Gesetz kippen und die zwei Tage wären umsonst gewesen.

 

Vielleicht waren deswegen beide  Seiten so kompromissbereit – letztendlich wurden dem Ministerrat mehr Zugeständnisse gemacht als ursprünglich erwartet. Unter anderem war auch die Zeit (10 Minuten für jeden Punkt) sehr knapp bemessen.

 

Abschließend kann man sagen, dass die Simulation ein großer Erfolg war: Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, und ein jeder hat viel Interessantes erfahren und gelernt.

 

Vielen Dank an Herrn Simon und Herrn Weber, die begleitenden Lehrer, sowie insbesondere an die Moderatorinnen Frau Adam und Frau Irimia von EuroSoc zusammen mit dem federführenden Informationsbüro des Europäischen Parlaments in München, die diese erfolgreiche Simulation überhaupt erst möglich gemacht haben!

"Die Presse" für die Teilnehmenden