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Gespräch mit den MdEP Frau Maria Noichl und Frau Prof. Dr. Angelika Niebler am 31.01./01.02.2019

31.1.2019 - 7:50 Uhr: 50 Schülerinnen und Schüler versammeln sich in Business-Kleidung in der Schule. Alle wirken professionell und gut vorbereitet. Dies hat einen Grund: Sie haben heute die Chance, im Rahmen einer Politiksimulation selbst politische Positionen einzunehmen und einen Entscheidungsprozess in der EU nachzustellen. Hierbei werden ihnen Rollen inklusive Persönlichkeit, politischer Ziele und Kompromissbereitschaft zugewiesen, die sie entweder als Abgeordneter im Europäischen Parlament oder als Landesminister im Rat der Europäischen Union verkörpern.

31.1.2019 - 10 Uhr: Nach einer kurzen Einführung zu den Institutionen der EU (uns wird gutes Vorwissen attestiert) werden die Streitfragen der Politiksimulation zur Einwanderungs- und Asylpolitik erläutert. Hierbei liegt der Fokus auf vier Punkten: der Bildung für minderjährige Asylbewerber, dem Zugang zum Arbeitsmarkt, der Inhaftierung Minderjähriger und der Unterbringung von Asylbewerbern. Anschließend ziehen sich das Parlament und der Rat zurück, um dazu erst eine eigene, mehrheitsfähige Position zu erarbeiten. Am Ende könnte das zu einer neuen Richtlinie führen, wie eine Rahmengesetzgebung in der EU heißt. Der müssten dann beide, Rat und Parlament zustimmen.

31.1.2019 - 14 Uhr: Nach intensiver und auch teilweise emotionaler Diskussion der Streitfragen konnten am ersten Tag bereits diverse Entwürfe zu den ersten drei Punkten entwickelt werden. Diese werden am folgenden Tag weiter bearbeitet und ergänzt.

1.2.2019 - 11:30 Uhr: Selbst nach mehreren Lesungen in Parlament und Rat konnte keine Einigung erzielt werden. Somit finden sich ausgewählte Vertreter beider Institutionen in einem Vermittlungsausschuss ein, um unter dem Druck der letzten Meter evtl. doch noch eine Kompromiss zu finden.

Tatsächlich führt das zu einem Ergebnis, dem folgenden:

§1  Bildung:
Die Staaten haben eigenständig für die Bildung der Minderjährigen zu sorgen und halbjährliche Tests abzuhalten, in denen die Reife des Kindes für eine öffentliche Schule geprüft wird. Diese kann maximal dreimal verfehlt werden, danach muss der Staat den Übertritt auf eine öffentliche Schule gewährleisten.

§2  Zugang zum Arbeitsmarkt:
Der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt darf von den Staaten nach Antragstellung für max. 12 Monate verweigert werden. Sollte der Antrag angenommen werden, ist der Zugang zum Arbeitsmarkt sofort zu ermöglichen.

§3  Inhaftierung Minderjähriger:
Die Inhaftierung nicht straffällig gewordener Minderjähriger ist nur zur Familienzusammenführung und zur medizinischen Altersbestimmung für max. 72 h unter Richtervorbehalt gestattet.

§4  Unterbringung (EP akzeptiert Beanstandungen und Änderungen des Rats):
Bis zur Antragsannahme dürfen Asylbewerber in Sammelunterkünften untergebracht werden, welche folgende Bedingungen erfüllen müssen:
- min. 10 m² Wohnraum pro Person
- max. 4 Personen pro Sanitäranlage (Dusche, WC, Waschbecken)
- ein Betreuer plus Gemeinschaftsraum für jeweils 20 Personen
Nach der Annahme erhält der Betroffene Zugang zum Wohnungsmarkt.

Im Vermittlungsausschuss ist man sich binnen 15 Minuten also einig geworden.Doch müssen dem final noch beide Vollversammlungen zustimmen.

Das Europäische Parlament nimmt diesen Kompromiss schließlich an. Und auch im Rat stimmen nur 9 Länder gegen den Entwurf. Damit ergibt sich auch hier eine Mehrheit der Stimmen. Aber – unter den neun Gegenstimmen sind auch einige bevölkerungsstärkere Länder, so können die Befürworter nur 60,5% der gesamten EU-Bevölkerung vertreten. Und damit wird nun die zweite im Rat benötigte Mehrheit, die von 65% der EU-Bevölkerung zwar knapp, aber eben doch verfehlt. Nicht undemokratisch. Demzufolge werden die Streitfragen nun einzelstaatlich gehandhabt werden.

1.2.2019 - 12:05 Uhr: Nachdem nun der aktive Teil der Politiksimulation beendet ist, bekommen die Schülerinnen und Schüler noch die Chance, über ihre Erkenntnisse und politische sowie persönliche Fragen mit echten Abgeordneten des EU-Parlaments zu sprechen. Mit Frau Dr. Angelika Niebler von der EVP und Frau Maria Noichl von der S&D kommt die Diskussion schnell ins Rollen. Ob das Thema persönliche Beweggründe zum politischen Engagement, Gleichberechtigung, Lobbyismus, Umweltschutz oder Standortpolitik für produzierende Unternehmen ist, Schülerinnen und Schüler und Politikerinnen haben sich viel zu sagen. Interessant ist vor allem zu beobachten, worin die Beteiligten übereinstimmen und wo zum Teil noch große Meinungsverschiedenheiten herrschen.

1.2.2019 - 14 Uhr: Mit einem gemeinsamen Foto ist nun die diesjährige Politiksimulationabgeschlossen. Die Schülerinnen und Schüler sind von den zwei Tagen des intensiven politischen Dialogs sichtlich erschöpft. Die zwei Tage haben viele dazu animiert, weiterhin über Europa zu sprechen und sich mit den Möglichkeiten der europäischen Integration differenziert auseinanderzusetzen. Nun blicken wir gespannt auf die anstehende Europawahl im Mai. Wir haben gesehen, was Mehrheitsverhältnisse ausrichten.

Also, darüber sprechen und wählen gehen!

Abschließend wollen wir auch hier noch einmal gesondert danken. Ermöglicht durch das Informationsbüro München des Europäischen Parlaments, haben uns die Fachkompetenz der Simulationsleiter von Eurosoc und die interessante, anregende Diskussion mit Frau Noichl und Frau Niebler stark beeindruckt.

"Die Presse" für die Teilnehmenden der Politiksimulation

EU-Politiksimulation
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