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Zeitzeugengespräch Abba Naor

Zeitzeugengespräch Abba Naor

Öffentliches Zeitzeugengespräch mit Abba Naor & Ausstellung ‚Humans oft the Holocaust‘

Am Donnerstag, den 8. Dezember berichtete Abba Naor als einer der letzten Zeitzeugen in einer öffentlichen Veranstaltung seine ganz persönliche Geschichte, die ihn in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von Kaunas bis ins KZ-Außenlager in Kaufering verschlug. Auch Fotoausstellung ‚Humans of the Holocaust‘ war im Rahmen der Abendveranstaltung dem interessierten Publikum öffentlich zugänglich.

Der terroristische Überfall der Hamas auf israelische Siedlungen am 7./8. Oktober berührt die Schulfamilie ebenso wie die bis heute andauernde israelische Militäroperation im Gazastreifen, sind wir doch seit vielen Jahren eng mit der ‚Givat Brenner Regional High School‘ südlich von Tel Aviv durch unser Austauschprogramm verbunden. So wurden zehn ehemalige Schülerinnen und Schüler unserer Partnerschule Opfer der Terroranschläge vom 7./8. Oktober. 

Auch die erstarkenden Antisemitismen in unserem Land nehmen nimmt wahr, daher wollten wir durch ein öffentliches Zeitzeugengespräch unseren Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs leisten. 

Abba Naor (95) gehört zu den letzten lebenden Zeitzeugen, die aus ihrer eigenen unmittelbaren Erfahrung heraus von der Shoah berichten können. Diese Begegnungen, insbesondere mit Jugendlichen, hat er sich zur Lebensaufgabe gemacht. Das Zeitzeugengespräch am 7. Dezember richtete sich bewusst an Eltern und MitbürgeInnen, auch wenn natürlich Schülerinnen und Schüler des Otto-von-Taube-Gymnasiums herzlich willkommen waren, um dem gesellschaftlichen wie familiären Diskurs zur Rolle des Antisemitismus in der deutschen Geschichte und Gegenwart eine vertiefte Basis zu geben.

In eindrucksvollen Worten schilderte Abba Naor, wie sich das Leben seiner Familie durch den Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion, die ja erst 1939 seine litauische Heimat entsprechend dem Hitler-Stalin-Paktes besetzt hatte, dramatisch veränderte. Der latente Antisemitismus der litauischen Mitbürger verband sich mit der offen rassistischen Haltung der deutschen Besatzer, Massentötungen und die Errichtung des Ghettos Kaunas waren die Folge. Abbas ältester Bruder wurde Opfer dieser Gewalt und wurde erschossen. Anschaulich schilderte er das Leben im Kaunas, das zwischen Hoffnung und Verzweiflung pendelte, wurde man sich doch schnell bewusst, dass jede Selektion und Reorganisation im Ghetto den Tod vieler Menschen nach sich zog. Im KZ Stutthof, der nächsten Station nach der Auflösung nach der Auflösung des Ghettos Kaunas, wurde die Familie getrennt: Mutter und der kleinere Buder wurden nach Auschwitz deportiert und dort getötet, während Abba und sein Vater in das Außenlagersystem des KZ Dachau verbracht wurden. Utting und Kaufering waren für Abba die weiteren Stationen seines Weges durch das menschenverachtende Lagersystem, das auch dem Prinzip der Vernichtung durch Arbeit diente. Ausgezehrt von den unmenschlichen Arbeitsbedingungen nahm er am Dachauer Todesmarsch teil, der auch durchs Würmtal führte, bis er im Mai 1945 in Waakirchen von amerikanischen Truppen befreit wurde. Die gemeinsame Rückkehr in die Heimat mit seinem Vater, der ihn erst nach Kriegsende wiederfand, war unmöglich. Während Abba eine neue Zukunft in Palästina suchte und dorthin illegal immigrierte, blieb sein Vater in Deutschland.

Angespannte Stille herrschte bei dieser Schilderung einer Jugend, die von Not, Tot, Verzweiflung, aber auch von einem starken Lebenswillen geprägt war. Im Zentrum seiner Ausführungen standen zum einen der Verlust von Menschlichkeit auf Seiten der Täter, aber ebenso die Beispiele der Solidarität und der gelebten Humanität – ob unter den Freunden im Ghetto oder Lager oder auch von Seiten der Deutschen, etwa Feldwebel Anton Schmid, der hunderte Juden aus dem Wilnaer Ghetto rettete und dafür von der Wehrmacht erschossen wurde, oder aber Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Im Anschluss an seinen Vortrag beantwortetet Abba Naor Fragen aus dem Publikum, zum einen zu seinem Schicksal nach der Befreiung, zum anderen zu seinen Befürchtungen bezüglich des erstarkenden Antisemitismus weltweit. Abba betonte dabei, dass es aus seiner Sicht keinen sichereren Platz als Deutschland gäbe. – Ein bemerkenswerter Abend mit bleibenden Eindrücken, die bei allen bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu Gesprächen, auch in den Familien, anregen werden.

 

Vor und nach dem Zeitzeugengespräch hatten die Besucher zudem Gelegenheit, die Fotoausstellung 'Humans of the Holocaust' des israelischen Künstlers und Fotografen Erez Kaganovitz, die am OvTG mit Unterstützung der Stiftung ‚Internationale Jugendaustausch Bayern‘ bis Weihnachten Station machen wird, zu besuchen.

 

Markus Greif, StD

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